HSG Stralsund

Schottische Eröffnung

Einleitung:
Gerade noch in der Jugend stellt 1.e4 e5 mit Abstand die häufigste Eröffnung dar, weshalb es
aus meiner Sicht am Vordringlichsten ist, hiermit zu beginnen. Dabei habe ich nur ein
Problem – Italienisch, was meistens gespielt wird, ist m.E. nicht besonders geeignet, um dem
Gegner Probleme zu stellen. Spanisch zwar schon, aber die Theorie ist hier unglaublich
umfangreich, so dass uns die Zeit fehlt, eine genauere Betrachtung vorzunehmen. Bei der
Suche nach einer Alternative stieß ich schließlich auf die Schottische Eröffnung (fragt mich
aber nicht, warum die so heißt) – sie lässt sich mit Schwarz kaum vermeiden und ist außerdem
für den Weißen eine starke Waffe, wenn man sich ein wenig auskennt. Immerhin haben sich
ihrer schon Spieler wie Kasparow oder Anand häufig bedient!

Grundzüge:
Die charakteristischen Züge für die Schottische Eröffnung sind:

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4! (Diagramm)

Viel Theorie?
Nein, eigentlich nicht. In ein paar Hauptvarianten muss man sich etwas genauer auskennen, aber in der Regel genügt ein gutes Verständnis der Strategie dieser Eröffnung.

Überraschungseffekt?
Unbedingt! Die wenigsten Gegner werden wirklich gut dagegen gewappnet sein.

Statistik?
Laut Datenbank erzielte Weiß 57% aus rund 40.000 Partien. Das ist etwas mehr als die
normale Gewinnerwartung (die bei 54% liegt).

Variantenbaum:
Wir werden insgesamt fünf Varianten unter die Lupe nehmen:

1.) 3…exd4 4.Sxd4 Sf6
2.) 3…exd4 4.Sxd4 Lc5
3.) 3…exd4 4.Sxd4 Dh4?!
4.) 3…exd4 4.Sxd4 sonstiges
5.) 3…andere Züge von Schwarz als exd4

Das geht ja richtig; würden wir stattdessen Spanisch untersuchen, wäre mindestens die
vierfache Anzahl an Abspielen nötig!

Abspiel 1: 3…exd4 4. Sxd4 Sf6 (Diagramm)

Eine der logischsten und stärksten Entgegnungen von Schwarz – er entwickelt eine Figur und
greift nebenberuflich den Bauern e4 an. Weiß muss sich nun etwas einfallen lassen, denn die
natürliche Deckung mit 5.Sc3 ist nicht gut – Schwarz spielt 5…Lb4, entwickelt eine weitere
Figur und greift schon wieder den Bauern e4 an. Soviel Aktivität wollen wir dem Schwarzen
nicht vergönnen, schließlich sind wir ja der Anziehende! Da alle anderen
Deckungsmöglichkeiten für e4 ebenso schlecht sind (5.Ld3 stellt nach 5…Sxd4 einfach eine
Figur ein und 5.e5 funktioniert wegen 5…Sxe5 nicht so recht), bleibt nur noch eine
Alternative:

5.Sxc6! bxc6
5…dxc6 6.Dxd8+ wäre natürlich weniger im Sinne des Schwarzen
6.e5! (Diagramm)

Die logische Folge der weißen Strategie – der Bauer überschreitet den Rubikon und bedroht
den Springer. Dieser muss alsbald ziehen, doch es zeigt sich, dass die Jagd auf ihn noch nicht
beendet ist – auf dem natürlichen Feld d5 wird er mit c2­c4 erneut „gekickt“, und wenn er
dann nach b6 zurückweicht, ist er zwar in Sicherheit, doch praktisch außer Spiel – nicht ein
Feld steht im dann mehr zur Verfügung. Und genau hierauf fußt die weiße Strategie in dieser
Variante: Der Springer wird aus der Partie getrieben. Achtet einmal darauf, wie Weiß und
Schwarz in den nächsten Zügen genau darum kämpfen werden – Weiß wird versuchen, den
Springer ins Abseits zu stellen, Schwarz dagegen richtet sein Hauptaugenmerk darauf, genau
dies zu verhindern bzw. Weiß an anderer Stelle zu beschäftigen, indem er den „frechen“
Bauern e5 aufs Korn nimmt.

6…De7!

Ein mysteriöser Zug, dessen Sinn bald klar wird. Das logische und direkte 6…Sd5 (was
vermutlich auch die meisten automatisch spielen würden) stößt auf 7.c4! Sb6 8.Ld3 Lb4+
9.Sd2 und Weiß hat eine schöne Stellung: Der Springer b6 hat keine Felder, während der
Weiße sich mit 0­0,a3,Sf3 (wenn Schwarz dann nicht auf d2 nimmt) wunderbar entwickeln
und später auf Königsangriff gehen kann.

Nicht so schlecht, wie es aussieht, ist 6..Se4, man sehe:

7.Sd2 (7.Dd4 Sc5) Sxd2 8.Lxd2 d5 (8…d6 9.Lc3 ist sehr schön für Weiß) 9.Ld3 Le7 10.0­0
0­0 11.c4 d4 12.Dc2! h6 13.Le4 Ld7 14.b4 und Weiß hat eine schöne Stellung; der Bauer d4
ist schwach.

7.De2

Die einzige Möglichkeit, e5 sinnvoll zu decken und die Fesselung aufzuheben.

7…Sd5 8.c4 La6!

Aha! Nun sehen wir, was Schwarz im Sinn hatte: Der Bauer c4 ist nun gefesselt, so dass der
Springer auf d5 verbleiben kann. Da Weiß so schnell seine Dame nicht von e2 wegziehen
kann (der Bauer e5 muss gedeckt bleiben), wird Schwarz einige Zeit gewinnen, ehe sein
Springer dann wirklich einmal hängt.
Nicht so gut ist nach wie vor 8…Sb6. Nach 9.Sc3 De6 (um den Lf8 frei zu machen) 10.De4
(befreit den Läufer f1) Lb4 11.Ld2 0­0 12.Ld3 hat Weiß schönes Spiel.

9.g3! (Diagramm)

Eine Idee von Kasparow – Weiß belässt seine Dame auf e2 und entwickelt den Läufer nach
g2. Bis dato hat Schwarz dagegen noch kein wirksames Konzept gefunden, das ihm Ausgleich
verspricht.

9…g6 10.b3!

Notwendig, da im nächsten Zug e5 angegriffen werden wird.

10…Lg7 11.Lb2 0­0 12.Lg2 Tfe8

Hängt jetzt nicht wieder unangenehm der Bauer e5?

13.0-­0!

Nein! Weiß nutzt nämlich die Fesselung des Sd5 zu seinen Gunsten aus – nimmt Schwarz auf e5, schlägt Weiß so lange zurück, bis er den Sd5 nehmen kann.

Nach 13.0­0 hat Schwarz zwei Möglichkeiten, die aber beide für Weiß vorteilhaft sind:

a) 13…Sb6 14.Te1 f6 (anders kommt Schwarz nicht frei) 15.e6! Dxe6 16.Dxe6 Txe6 17.Txe6 dxe6 18.Lxe6 mit schönem Stellungsvorteil oder

b) 13…Lxe5 14.Dxe5 Dxe5 15.Lxe5 Txe5 16.cxd5 Lxf1 17.Kxf1 cxd5 18.f4! Te3 19.Lxd5 Tae8 20.Sd2 Te2 21.Td1 Txh2 22.Lg2 und die zwei Figuren scheinen stärker als der schwarze Turm zu sein.

Abspiel 2: 3…exd4 4.Sxd4 Lc5 (Diagramm)

Meines Erachtens die stärkste Fortsetzung für Schwarz – Weiß wird umgehend zu einer Erklärung
gezwungen. Nebenbei steckt auch ein taktischer Trick dahinter: Nach 5.Sxc6?! spielt Schwarz
nicht automatisch 5…bxc6, sondern 5…Df6!, und die Mattdrohung auf f2 zwingt Weiß zu Dd2
oder De2, wonach Schwarz auf c6 mit dem d­Bauern nehmen kann, was ihm schönes Spiel
verschafft.

5.Le3

Praktisch erzwungen, aber auch nicht schlecht – immerhin droht jetzt Sxc6 mit
Figurengewinn.

5…Df6

Ein guter Zug. Schwarz weicht der Drohung Sxc6 aus und erhöht den Druck auf d4.
Ansonsten kommt eigentlich nur 5…Lb6 in Frage; nach 6.Sf5! Lxe3 7.Sxe3 Sf6 8.Sc3 0­0
9.g3 d6 10.Lg2 Se5 11.h3! (um Seg4 zu verhindern) Ld7 12.0­0 Lc6 13.Dd4 steht Weiß aber
klar besser.

6.Sb5! (Diagramm)

Ein irrer Zug, bei dem sich mir nach wie vor der Magen umdreht, aber genau das ist modernes Schach. Weiß kümmert sich nicht um den isolierten Doppelbauern, den er erhalten wird, und greift die Achillesferse der schwarzen Stellung an, den Bauern c7. Gerade gegen einen unvorbereiteten Gegner (beispielsweise aus Ichenhausen) kann dies sehr schnell zum Erfolg führen.

6…Lxe3

Andere Züge verlieren sofort, z.B.: 6…De5?? 7.Lxc5 Dxc5 8.Sxc7+ oder 6…Dxb2 7.Lxc5
Dxa1 8.Sxc7+. 6…Ld6 geht, ist aber nach 7.Sxd6+ cxd6 8.Sc3 einfach schrecklich für
Schwarz.

7.fxe3 Dh4+

Logisch, denn der Gegenangriff von Schwarz scheint gefährlich zu sein. Alternativ kommt
nur noch 7…De5 in Frage (um c7 zu decken), doch dann sichert der feine Zug 8.Sd2! Weiß
einigen Vorteil. Es droht tödlich 9.Sc4 (wonach 9…Dxb5 an 10.Sd6+ mit Damengewinn
scheitert), so dass 9…Kd8 erzwungen ist. Nach 10.Ld3 d6 (10…Dxb2 11.0­0 ist wegen des
weißen Entwicklungsvorsprungs zu gefährlich für Schwarz) 11.0­0 hat Weiß schöne
Angriffschancen gegen den schwarzen Zentralkönig.

8.g3 Dxe4

Jetzt wird es richtig scharf, doch Schwarz hat kaum eine Wahl, denn nach 8…Dd8 9.Dg4! g6
10.Df4! d6 11.Lc4 Se5 12.0­0 De7 13.Sc3 ist der weiße Angriff sehr stark.

9.Sxc7+ Kd8

9…Kf8 ist sinnlos; der König muss das Ausbruchsfeld des Springers bewachen!

10.Sxa8 Dxh1 11.Dg4! (Diagramm)

Eine tolle Stellung! Schwarz steht am Abgrund; noch ein schlechter Zug und es ist schon fast
vorbei.

11…Dg1!

Gegenspiel um jeden Preis – der Bauer e3 ist hierfür das einzige Ziel. Nach etwa 11…g6?
12.Df4! (droht Dc7+) Sge7 13.Sd2 Dxh2 14.0­0­0 wird Schwarz mit seinem Zentralkönig
kaum überleben.

12.Df4!

Ein schöner Zug. Deckt e3 und späht nach c7.

12…Sf6

Das ist der Unterschied zur vorigen Variante. Schwarz kann hier Sf6 spielen (was vorher nicht
ging, da Schwarz g7­g6 gespielt hatte und der Springer dann einfach hängen würde) und mit
Te8 wieder den Be3 attackieren.

13.Sd2 Te8 14.Sc4! b5!

Der einzige Zug, der Schwarz gerade noch rettet.

15.Dc7+ Ke7 16.Dd6+ Kd8

…und nun kann Weiß wahlweise das Remis mit 17.Dc7+ forcieren oder 17.0­0­0!? bxc4
18.Dxc6 Dxe3+ 19.Kb1 mit unklarer Stellung versuchen.

Abspiel 3: 3…exd4 4.Sxd4 Dh4?! (Diagramm)

Ein fieser Zug, gut geeignet als Überraschungseffekt. Sein Vorteil: Schwarz gewinnt forciert
einen Bauern. Doch solche Verstöße gegen die Entwicklungsprinzipien bleiben nicht
ungeahndet, wenn Weiß sich auskennt…

5.Sc3 Lb4

Natürlich nicht 5…Lc5 6.Le3 und es stellt sich die Frage, was die Dame auf h4 soll. Nach
5…Lb4 muss Weiß einen Bauern opfern, da er e4 nicht mehr richtig decken kann: 6.Dd3 Sf6
ist super für Schwarz.

6.Sb5!

Des Pudels Kern. Jetzt muss Schwarz zugreifen, sonst war sein Damenausflug sinnlos.

6…Dxe4+ 7.Le2 Lxc3+

Aber ja nicht 7…Dxg2 ?? 8.Lf3 und Weiß gewinnt (c7 fällt)

8.bxc3 Kd8

Anders ist c7 nicht zu decken: 8…De5?? 9.f4 und Weiß gewinnt.

9.0­-0

Schnelle Entwicklung lautet die Devise!

9…a6

Eine hübsche Keule hat Weiß auf 9…Sf6 10.Te1 Te8 11.Le3 a6, nämlich 12.Sd6! mit
Qualitätsgewinn, da 12…cxd6 13.Lb6+ Ke7 14.Lf3 die Dame gewinnen würde.

10.Sd4 Sxd4 11.cxd4 Sf6 12.Lf3 Df5 13.c4 d6 14.c5!

Für gerade einmal einen Bauern hat Weiß das Läuferpaar und eine starke Angriffsstellung
gegen den schwarzen Wanderkönig. Vielleicht hält das ein Computer mit Schwarz, aber ein
Mensch eher nicht.

Abspiel 4: 3…exd4 4.Sxd4 sonstige Züge

In der Praxis werden Euch sicherlich noch eine Menge Abweichungen des Schwarzen gerade
an dieser Stelle begegnen. Sie sind allesamt günstiger für Weiß:

a) 4…d5? 5.Sxc6! (noch stärker als 5.Lb5 Sge7) bxc6 6.exd5 Dxd5 (6…exd5? 7.Lb5+
Ld7 8.Dxd5 gewinnt einfach einen Bauern) 7.Ld3! Dxg2 8.De2+! Kd8 (einziger Zug,
nach 8…Le7 9.Le4! gewinnt Weiß sofort) 9.Le4 Dg4 10.Lf3 (natürlich kein
Damentausch!) Dg6 11.Sc3 mit baldiger langer Rochade und heftigem weißen
Angriff.

b) 4…Sxd4? (ganz schlecht, die weiße Dame steht im Zentrum nun dominierend) 5.Dxd4
d6 (5…Sf6? 6.e5) 6.Sc3 Sf6 7.Lg5 Le7 8.0­0­0 0­0 9.Lc4 mit großem weißen Vorteil.

c) 4…d6?! 5.Sc3 Sf6 6.Lb5 Ld7 7.0­0 Le7 8.Te1 und Weiß hat ein sehr freies Spiel – im
Gegensatz zu Schwarz, der sehr gedrückt steht.

d) 4…Sge7 5.Sc3 Sxd4 6.Dxd4 Sc6 (das war die Idee) 7.De3 Lb4 8.Ld2 d6 9.0­0­0 0­0
10.Dg3 Le6 11.f4 mit schönem Angriffsspiel.

Abspiel 5: Andere Züge als 3…exd4

Die schlechteste Möglichkeit für Schwarz, man sehe:

a) 3…Sf6? 4.d5! Se7 5.Sxe5 Sxe4 6.Ld3! Sc5 7.0­0 Sxd3 (7…Sxd5 ? 8.Lc4 ! c6 9.Lxd5
cxd5 10.Dxd5) 8.Dxd3 und da nun 8…d6 an 9.Db5+ scheitert, hat Weiß deutlich mehr
vom Spiel – Schwarz kommt nicht raus.

b) 3…d5? 4.Sxe5 Sxe5 5.dxe5 dxe4 6.Dxd8+ Kxd8 7.Sc3 ist natürlich Nonsens.

c) 3…d6 4.dxe5 dxe5 5.Dxd8+ Kxd8 ist natürlich auch besser für Weiß.

d) 3…Ld6? 4.d5 Sce7 5.c4 Sf6 6.Ld3 Sg6 7.0­0 0­0 8.Sc3 und man fragt sich, was der
Läufer auf d6 da soll.

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